Kategorie: Von vorn

  • Gute Taten.

    2. Dezember 2024, ein Tag, der sich schwer wie Blei auf Don Hühotts Gemüt legte, während der Himmel seine grauen Schleier über Sonnendorf zog.

    Müßiger Leser! Heute muss ich dir von einer betrüblichen Geschichte berichten, die unseren Don Hühott in tiefe Gedanken stürzte und ihn mehr quälte als all die eingebildeten Kämpfe gegen Windmühlen und Riesen, die er sonst zu bestehen glaubt.

    Es begab sich nämlich, dass seine angebetete Dulcinea — die andere nur als Magdalena kennen — vor einigen Monden einen verirrten Kater rettete, einen jener heimatlosen Streunerkönige, die ihr Herz so sehr rühren. Mit der ihr eigenen Geduld und Hingabe päppelte sie das Tier auf, bis es wieder stolz daherschritt, würdig eines neuen Heims.

    Dieses Heim, so schien es zunächst, fand sich bei einem betagten Ehepaar in einem fernen Dorfe. Dulcinea, weise in der Kunst der Katzenvermittlung, gab ihnen genaue Anweisungen, wie mit dem scheuen Tier zu verfahren sei: „Haltet ihn zunächst in einem Gemach“, sprach sie, „bis er sich an sein neues Reich gewöhnt hat.“

    Doch ach, werter Leser, wie oft geschieht es, dass Menschen in ihrer Ungeduld und Selbstüberschätzung weisen Rat in den Wind schlagen! Die alte Dame, von der Art jener Menschen, die stets besser zu wissen meinen, was gut und richtig ist, missachtete Dulcineas Worte — und siehe da, der Kater entwich in die Fremde.

    Don Hühott, der dies erfuhr, während er im Stall seine täglichen Pflichten versah, wurde von einer Schwermut befallen, wie sie selten an ihm zu sehen war. „Oh weh“, vertraute er Attila Panza an, während er sich auf seine Mistgabel stützte, die er in seiner Fantasie gewiss für eine Ritterlanze hielt, „wie kann ich hier untätig verharren, während meine edle Dame alleine durch die Lande zieht, hunderte von Meilen zurücklegt, ihre kostbare Zeit opfert, um die Folgen fremder Torheit zu beheben?“

    Und so verging dieser Tag in Sonnendorf, mit einem Don Hühott, der zum ersten Mal nicht gegen eingebildete Windmühlen kämpfte, sondern gegen die sehr reale Windmühle menschlicher Torheit und Undankbarkeit. Während seine Dulcinea irgendwo in der Ferne nach dem entlaufenen Kater suchte, blieb ihm nichts als die bittere Erkenntnis, dass manchmal die schwersten Kämpfe jene sind, die wir mit uns selbst ausfechten müssen — wenn wir zusehen müssen, wie andere leiden, ohne helfen zu können.

    „Sagt mir“, sprach er zu seinem treuen Pferd Mr. Moppel, „warum ist es so schwer, Gutes zu vollbringen in dieser Welt? Warum achten die Menschen nicht die Weisheit jener, die mehr verstehen als sie? Warum, oh warum, müssen jene, die ihr Herz öffnen für die Not anderer, am Ende die größte Last tragen?“

    Doch was unseren Ritter am meisten quälte, war nicht nur seine erzwungene Untätigkeit. In seinem Herzen regte sich auch Unverständnis für seine geliebte Dulcinea, die in ihrem grenzenlosen Mitgefühl für die Tiere manchmal Entscheidungen traf, die selbst ihm — der doch sonst jeden ihrer Schritte bewunderte — unbegreiflich erschienen. Hatte sie nicht selbst so viele wichtige Dinge zu erledigen? Schob sie nicht selbst manch dringende Entscheidung auf?

    Vielleicht, so denke ich, während ich diese Zeilen niederschreibe, sind dies die wahren Windmühlen, gegen die zu kämpfen sich lohnt — auch wenn es manchmal aussichtslos erscheinen mag. Denn was ist schwerer: gegen eingebildete Riesen zu kämpfen oder gegen die Zweifel im eigenen Herzen?

  • Der Jäger.

    30. November 2024, ein Tag, an dem die Wahrheit so klar schien wie das Wasser in Dulcineas Pferdebrunnen.

      Müßiger Leser! Heute muss ich dir von einer bemerkenswerten Begebenheit berichten, die das ganze Dorf Sonnendorf in Aufruhr versetzt hat. Es geht um die Übergabe der Wohnstatt unserer edlen Dulcinea – die andere nur als Magdalena kennen – an einen Mann, dessen wahre Natur jedem Kind im Dorfe bekannt ist, nur nicht, so scheint es, dem alten Jäger, der ihm sein Reich überließ.

      Don Hühott, unser vermeintlicher Ritter in schwarzer Rüstung, verbrachte den Tag damit, Dulcinea bei der Übergabe ihrer Gemächer beizustehen. Doch während er sonst dazu neigt, in gewöhnlichen Dingen Zauberei und Trug zu sehen, war er heute von einer bemerkenswerten Klarheit des Geistes.

      „Seht her“, sprach er zu seinem getreuen Attila Panza, „wie das ganze Dorf die Wahrheit kennt! Dieser junge Mann, der sich als würdiger Nachfolger des Jägers ausgibt, ist nichts als ein Feigling, der sich hinter den Rockschößen seiner Mutter versteckt. Und diese – ha! – eine Hexe ist sie, aber nicht von jener Art, die mit Zaubertränken und Beschwörungen ihr Unwesen treibt, sondern von der gefährlicheren Sorte: jenen, die mit Habgier und falschen Worten das Herz rechtschaffener Menschen vergiften!“

      Die Magd Irmingard Maria, die diese Worte hörte, nickte nur ernst und sprach: „Zum ersten Mal, seit ich Don Hühott kenne, sieht er die Dinge genau so, wie sie sind.“

      Selbst der Barbier, der sonst jeden von Don Hühotts Gedanken mit spitzem Skalpell der Vernunft zu zerlegen pflegt, musste zugeben: „In diesem Fall ist seine Diagnose so präzise wie mein bestes Rasiermesser.“

      Der alte Jäger, sonst ein Mann von großer Weisheit und klarem Verstand, schien der einzige im Dorfe zu sein, der die gierigen Blicke nicht bemerkte, mit denen Mutter und Sohn seinen Besitz musterten. Doch Don Hühott, der ihn beim Unterzeichnen der Papiere beobachtete, sah bereits den Schatten der kommenden Reue über sein Gesicht huschen.

      „Es wird nicht lange dauern“, sprach er zu Dulcinea, als sie am Abend die letzten Kisten aus ihrer alten Wohnung trugen, „bis der weise Waldläufer erkennt, dass er sein Reich an unwürdige Hände übergeben hat. Die Gier dieser beiden wird sich schneller zeigen als die Sonne nach einem Sommergewitter.“

      Und zum ersten Mal seit langer Zeit, werter Leser, sprach Don Hühott nicht von Zauberern und verzauberten Prinzen, sondern von der einfachen Wahrheit, die vor aller Augen lag: Von einem alten Mann, der einen Fehler begangen hatte, den er bald bereuen würde, und von zwei Menschen, deren wahre Natur das ganze Dorf durchschaute.

      So endete dieser denkwürdige Tag in Sonnendorf, und ich, der ich diese Zeilen niederschreibe, kann nur hoffen, dass der alte Jäger bald zu jener Klarheit des Geistes zurückfindet, die heute ausnahmsweise Don Hühott zuteil wurde. Denn manchmal, werter Leser, sieht ein vermeintlich Verwirrter die Welt klarer als alle anderen.

    1. Wurzeln.

      27. November 2024, ein Morgen, der sich wie Blei vom Himmel senkte.

      Manche Tage beginnen bereits falsch, noch bevor der erste Hahn kräht. Don Hühott hatte die Nacht ruhelos verbracht, geplagt von wirren Träumen. Als er sich endlich aus dem Bett quälte, erwartete ihn sein treuer Drahtesel mit einer gebrochenen Kette – eine weitere Prüfung des Schicksals.

      „Zu Fuß also“, murmelte er düster und machte sich auf den Weg.

      Dulcineas Blick, als er verspätet eintraf, war kälter als der Morgenfrost. Keine Worte fielen zwischen ihnen, nur die lastende Stille eines unausgesprochenen Vorwurfs.

      Doch als der Nachmittag seine goldenen Finger durch die Stallfenster streckte, geschah etwas Merkwürdiges. Don Hühott, der den ganzen Morgen wie ein Schatten seiner selbst durch den Tag gewandelt war, hielt plötzlich inne.

      „Weißt du noch“, wandte er sich an Attila, der gerade vorbeikam, „wie alles begann? Damals, als ich noch…“

      Er verstummte, griff nach einem alten Notizbuch und begann zu schreiben. Stunde um Stunde verging, während er sich in seine Arbeit vertiefte. Die Schatten des Morgens wichen einem inneren Leuchten.

      „Was treibt Ihr da?“, fragte Attila neugierig.

      „Ich kehre zu meinen Wurzeln zurück“, antwortete Don Hühott, ohne aufzublicken. „Manchmal muss man einen Schritt zurück machen, um zwei nach vorn zu kommen.“

      Seine Feder flog übers Papier, als würde sie von einer unsichtbaren Kraft geführt. Was auch immer dort entstand, es schien die Last des Tages von seinen Schultern zu nehmen.

      Als die Sonne sich neigte, lag ein seltsamer Frieden über dem Stall. Selbst Dulcinea, die am Abend vorbeischaute, bemerkte die Veränderung.

      „Ihr seht anders aus, Michael“, sagte sie – denn so war sein weltlicher Name.

      „Manchmal“, erwiderte er mit einem kleinen Lächeln, „muss man sich erst verirren, um den richtigen Weg wiederzufinden.“

      Er schlug sein Notizbuch zu, behutsam, als hielte er darin einen kostbaren Schatz. Vielleicht tat er das auch.

      Anmerkung des Chronisten: Es ist erstaunlich, wie ein Tag, der in Dunkelheit beginnt, im Licht enden kann – wenn man nur den Mut hat, seine eigenen Spuren zurückzuverfolgen und dort neu zu beginnen, wo einst alles anfing.

    2. Tretmühlen.

      22. November 2024, ein Tag grau wie alte Asche.

      „Er dreht wieder seine Runden“, murmelte Attila zum alten Hahn, der würdevoll auf der Stalltür thronte. Sie beobachteten Don Hühott, wie er auf seinem Drahtesel durch den Morgennebel glitt, Runde um Runde, gleichmäßig wie ein Uhrwerk. Der Hahn legte den Kopf schief, als verstünde er genau, was Attila meinte.

      „Früher“, fuhr Attila fort, während er Körner streute, „da hat er bei jeder Runde noch von seinen großen Plänen erzählt. Von einer besseren Welt. Von Gerechtigkeit für Mensch und Tier. Aber heute? Heute dreht er stumm seine Kreise.“

      Der Hahn krähte, als wolle er die aufsteigende Sonne an ihre Pflicht erinnern. Doch selbst sie schien an diesem Morgen zu zögern, versteckte sich hinter einem Schleier aus Grau.

      Müßiger Leser, du fragst dich vielleicht, warum ein Mann wie Don Hühott, der sich für einen Ritter in schwarzer Rüstung hielt, so still geworden war. Die Antwort lag in der Luft wie der schwere Nebel über den Feldern: Er suchte einen Ausweg aus dem Labyrinth seiner Pflichten.

      Als Dulcinea später am Morgen nach ihm rief – „Michael!“ (denn so war sein weltlicher Name) – zuckte er zusammen wie aus einem Traum erwacht.

      „Verzeiht, edle Dame“, murmelte er, „ich war in Gedanken…“

      „In Gedanken verloren oder in Gedanken gefangen?“, fragte sie mit dieser besonderen Mischung aus Spott und Zuneigung, die nur sie beherrschte.

      Don Hühott stieg von seinem Drahtesel, strich über den abgenutzten Sattel. „Manchmal“, sagte er so leise, dass nur sein treues Gefährt es hören konnte, „manchmal frage ich mich, ob dieses Rad, das wir Tag für Tag drehen, uns vorwärts bringt oder nur im Kreis.“

      Der alte Hahn hatte inzwischen seinen Platz verlassen und stolzierte nun bedeutungsvoll über den Hof, als wolle er zeigen, dass auch ein Leben in Grenzen seine Würde haben kann. Don Hühott beobachtete ihn lange.

      „Seht ihr den Herrn der Morgendämmerung?“, wandte er sich plötzlich an Attila. „Sein Reich ist klein, aber er füllt es aus wie ein König. Vielleicht… vielleicht liegt darin eine Weisheit.“

      „In einem Hahn?“, fragte Attila verwundert.

      „In der Art, wie er seine Kreise zieht“, erwiderte Don Hühott und zog sein abgegriffenes Buch der Selbstbetrachtungen hervor. „Der weise Kaiser schreibt: ‚Suche nicht danach, dass alles so geschieht, wie du es für richtig hältst, sondern wünsche dir, dass alles so geschieht, wie es geschieht.’“

      Er schlug das Buch zu, ein kleines Lächeln um die Mundwinkel. „Obwohl…“, fügte er hinzu, während er seinen Drahtesel zum Stall schob, „ein bisschen anders könnte es schon geschehen.“

      Der alte Hahn krähte zustimmend. Manchmal, müßiger Leser, liegt die größte Weisheit in den einfachsten Geschöpfen. Und manchmal findet man einen Ausweg gerade dort, wo man aufhört, krampfhaft danach zu suchen.

    3. Verlorene Zeit.

      21. November 2024, ein sonniger, aber kühler Morgengruß.

      Müßiger Leser! Noch ehe die Sonne ihre ersten Strahlen über Sonnendorf ergoss, ritt unser Don Hühott bereits auf seinem treuen Drahtesel aus – einem bescheidenen Gefährt, das seiner alltäglichen Reise diente, wenngleich er sich wohl auf dem Rücken eines stolzen Streitrosses wähnte. Die Morgenkühle biss in seine Wangen, doch sein Herz war erfüllt von großen Plänen für den Tag.

      „Heute“, sprach er zu sich selbst, während er auf seinem Drahtesel dahinritt, „heute werde ich endlich jene bedeutsamen Taten vollbringen, die einem wahren Ritter gebühren!“

      Doch das Schicksal, dieser launische Geselle, hatte andere Pläne. Kaum hatte er seinen Posten bezogen, da prasselten sie auf ihn ein: belanglose Aufgaben, nichtige Besorgungen, unbedeutende Erledigungen. Und Don Hühott, der in seinem Herzen stets ein Diener aller war, ließ sich hineinziehen in diesen Strudel der Bedeutungslosigkeit.

      Als die Sonne ihren höchsten Stand erreicht hatte, fand ich ihn in einem stillen Winkel, das Haupt gesenkt, in seinen abgetragenen schwarzen Gewändern, die er für eine Rüstung hielt.

      „Ach, werter Chronist“, sprach er zu mir, „ist es nicht seltsam? Da steigt man aus mit dem Feuer eines Drachentöters im Herzen, und am Ende des Tages hat man nicht mehr vollbracht als eine Ameise, die Krümel zum Bau trägt.“

      Sein treuer Gefährte Attila, der gerade vorbeikam, versuchte ihn aufzumuntern: „Aber Don Hühott, auch kleine Taten sind wichtig…“

      „Nein, nein“, unterbrach ihn Don Hühott mit einer müden Handbewegung. „Verstehst du denn nicht? Es ist nicht die Größe der Taten, die mich quält. Es ist ihre Richtung. Wie ein Ritter, der ausritt, um einen Drachen zu erlegen, und stattdessen den ganzen Tag damit verbrachte, verlorene Hühner einzufangen.“

      Er erhob sich und trat ans Fenster, durch das die Nachmittagssonne fiel. „Manchmal frage ich mich, ob ich nicht einem Irrlicht folge. All diese Geschäftigkeit, dieses Rennen und Jagen – ist es das, wofür wir geschaffen wurden? Oder gibt es da draußen eine größere Aufgabe, die meiner harrt, während ich mich in Kleinigkeiten verliere?“

      Dulcinea, die diese Worte hörte, trat zu ihm. „Michael“, sagte sie – denn so war sein weltlicher Name – „vielleicht liegt die Größe manchmal gerade darin, den Mut zu haben, innezuhalten und sich zu fragen, ob man auf dem richtigen Weg ist.“

      Don Hühott schwieg lange, bevor er antwortete: „Weißt du, was mich am meisten beunruhigt? Nicht die Arbeit selbst – denn auch ein Ritter muss seinen Dienst tun. Nein, es ist dieses nagende Gefühl, dass ich meine kostbare Lebenszeit an Dinge verschwende, die nicht zu meiner wahren Bestimmung gehören.“

      Er griff nach seinem abgegriffenen Buch der Selbstbetrachtungen. „Der weise Kaiser Marcus Aurelius schreibt: ‚Vergeude nicht den Rest deines Lebens damit, über andere zu grübeln […] denn du verlierst dabei die Gelegenheit, etwas anderes zu tun.‘ Vielleicht… vielleicht ist es Zeit, nicht nur über den richtigen Weg nachzudenken, sondern ihn auch zu beschreiten.“

      Und so endete dieser Tag in Sonnendorf – nicht mit einer Lösung, aber vielleicht mit dem Beginn einer Suche. Denn manchmal, müßiger Leser, ist die wichtigste Erkenntnis die, dass man sich verirrt hat. Und manchmal ist das Eingestehen der Verwirrung der erste Schritt auf dem Weg zur Klarheit.