01. Januar 2025. Am ersten Tag des Jahres, da die Sonne ungewöhnlich hell und klar am winterlichen Himmel strahlte, als wolle sie dem neuen Jahr einen besonders prächtigen Anfang bereiten.
Müßiger Leser! Es ziemt sich wohl, dir von den Ereignissen zu berichten, die sich am ersten Tag dieses Jahres im beschaulichen Sonnendorf zutrugen, auf dass du selbst ermessen mögest, ob unser wackerer Held Don Hühott sich zum Besseren oder Schlechteren entwickelt.
Kaum hatte die verschlafene Wintersonne ihre ersten zaghaften Strahlen über den Stallungen von Sonnendorf ausgebreitet, da fand ich unseren Ritter bereits in höchst merkwürdiger Position vor: Er saß, die Beine in seltsamen Winkeln verschränkt, auf dem Stroh und vollführte, was er „edle Dehnungen“ nannte. Auf meine verwunderte Nachfrage hin erklärte er mit der ihm eigenen Würde, ein Ritter müsse nicht nur im Geiste, sondern auch im Körper geschmeidig bleiben, wolle er den Kampf gegen die Windmühlen des Lebens bestehen.
Ich muss gestehen, werter Leser, dass ich zunächst geneigt war, dies für eine seiner üblichen Wahnvorstellungen zu halten. Doch zu meinem nicht geringen Erstaunen hielt er diese Übungen ganze zehn Minuten durch, und sein zufriedenes Gesicht danach ließ keinen Zweifel daran, dass sie ihm wohlgetan hatten.
Doch das Schicksal – oder vielleicht war es auch nur die gewöhnliche menschliche Natur – hatte andere Pläne für unseren Ritter an diesem Tag. Denn als am Nachmittag seine geliebte Dulcinea ihm irgendeinen alltäglichen Vorwurf machte (dessen Natur mir entfallen ist, doch sind solche Dinge meist von erschreckend gewöhnlicher Art), da vergaß unser Don Hühott für einen Moment seine ritterliche Würde.
O du hättest sehen sollen, holder Leser, wie er aufbrauste! Wie ein Vulkan, der jahrelang geschlummert hat, brach sein Zorn hervor, und für einen Moment war von seiner edlen Ritterlichkeit wenig zu spüren. Dulcinea, die solche Ausbrüche gewohnt sein muss, trug es mit der ihr eigenen Gelassenheit, wenngleich sie –und dies muss ich der Wahrheit halber hinzufügen – keinerlei Anstalten machte, einen Fehler einzugestehen.
Doch hier zeigt sich nun die wahre Größe unseres Ritters: Statt sich seinem Groll hinzugeben, besann er sich auf seine edlen Grundsätze. Wie ein fahrender Ritter vergangener Zeiten, der seiner Dame einen Dienst erweisen will, begab er sich in die Küche – sein persönliches Schlachtfeld, wenn man so will – und bereitete ein Mahl, das seiner Dulcinea würdig war. Dass er dabei gänzlich auf Fleisch verzichtete, erklärt er mit der einem Ritter gebührenden Achtung vor allem Lebendigen, wenngleich ich vermute, dass auch Dulcineas Vorliebe für vegane Kost dabei eine nicht unerhebliche Rolle spielte.
So endete dieser erste Tag des Jahres in friedlicher Eintracht, mit unserem Ritter und seiner Dame beim gemeinsamen Mahl. Und wenn ich die beiden so beobachtete, wie sie einander versöhnlich anlächelten, musste ich unwillkürlich an jene Stelle in den alten Chroniken denken, wo es heißt, dass die größten Schlachten eines Ritters oft nicht gegen äußere Feinde, sondern gegen die eigenen Schwächen gefochten werden.
Was seine Vorsätze für das neue Jahr betrifft – nun, werter Leser, ich wage nicht zu prophezeien, ob Don Hühott seine morgendlichen Dehnübungen beibehalten wird. Doch was seine Liebe zu Dulcinea angeht, so bin ich mir gewiss, dass diese – gleich ob er nun gerade der schwarze Ritter oder der einfache Stallknecht Michael ist – beständig bleiben wird wie der Nordstern am Firmament.